Ein Plädoyer für langsames Reisen
….Oder: Warum man nicht jede Woche das Reiseland wechseln sollte! Vor den Kindern sind viele von uns anders gereist. Langsames Reisen war eher nicht angesagt. Wir sind täglich weitergezogen, haben allabendlich ein anderes Hostelbett bezogen oder das Outback in Australien in zwei Tagesfahrten durchquert. Drei Länder in drei Wochen? Kein Problem!
Zwar ist uns auch da Manches entgangen und ja, müde waren wir zwischendurch auch, aber hey, das Leben ist kurz. Wir wollten so viel wie möglich sehen. Nun sind wir nicht mehr allein unterwegs. Wir wollen unseren Kindern die Welt zeigen. Und das geht so definitiv nicht mehr. Jedenfalls macht das niemandem Spaß.
Wie Reisen mit Kindern wirklich ist
Am Anfang steht die Frage: Warum möchte ich mit Kindern langzeitreisen? Dieser Frage bin ich in einem anderen Blogpost vor einiger Zeit nachgegangen (hier geht’s zum Beitrag). Ich habe dort einige gute Gründe genannt. Einer der wichtigsten überhaupt ist, gemeinsame Familienzeit zu verbringen, fernab vom Alltagsstress zu Hause (dem viel beschworenen „Hamsterrad“), engen Zeitplänen und wichtigen Verpflichtungen. Warum also sollte man sich auf so einer Reise dann wieder demselben Druck aussetzen?
Wie sieht Reisen (nicht Urlaub) mit Kindern konkret aus? Nach der Ankunft im Reiseland dauert es meist mehrere Tage, manchmal bis zu einer Woche, bis Jetlag, Klimawechsel und evtl. Kulturschock überwunden sind und sich Kinder und Eltern wieder einigermaßen „normal“ fühlen. Diese Tage benötigt man auch in etwa, um sich im neuen Reiseland zurechtzufinden. Wo finden wir Windeln? Gibt es Spielplätze? Wenn nicht, wo können sich die Kinder frei bewegen? Wie kommen wir von A nach B? Wo gibt es kinderfreundliches Essen? Wie können wir günstig telefonieren? To be continued… Eigentlich beginnt erst dann die Zeit, in der man das Land so richtig erkunden und erleben kann.
Aber auch dann geht ein nicht unerheblicher Teil des Tages mit anderen Dingen als Besichtigungstouren oder Stadtbummeln vorbei. Einzukaufen und für saubere Kleidung zu sorgen. Koffer aus- und wieder einzupacken. Den Kindern Spielzeit einzuräumen oder kleinere Kinder in den Mittagsschlaf zu wiegen. Die Reiseplanung der nächsten Wochen voranzubringen. Mehr als ein halber Tag steht mit kleineren Kindern selten zur Verfügung, um die spannenden Tempel zu erklimmen, eine Regenwaldwanderung zu machen oder ein Museum zu besuchen.
Nicht zu vergessen, dass lange Auto- und Busfahrten auch nicht gerade ganz weit oben auf der Wunschliste der meisten Kinder stehen. Und jeden Tag in einem anderen Bett? Finden auch die wenigsten Kinder toll. Von dem Aufwand, täglich Koffer für 3-5 Personen ein- und auszupacken, mal ganz zu schweigen. Und schon wird es bei 1-2 Wochen pro Reiseland SEHR knapp mit unserer anfangs so ambitionierten Reiseplanung.
Das Zauberwort: Entschleunigung
Wenn wir mit Kindern langzeitreisen, dann wollen wir Vieles, was nur mit einem sehr gemächlichen und entschleunigten Reiseplan möglich ist. In Ruhe im Reiseland ankommen. In die fremde Kultur eintauchen. Zeit mit Einheimischen verbringen, uns von ihnen nach Hause einladen lassen und ihre Mentalität verstehen. Endlich viele Minuten mit Toben, Malen, Sandburgen bauen und Spielen verbringen. Unseren Kindern die Zeit geben, historische Stätten oder Wanderungen in ihrem eigenen Tempo zu erleben.
Was wir definitiv nicht wollen, ist, von Ort zu Ort hetzen, weil der nächste Flugtermin schon bald wieder ansteht. Jeden oder jeden zweiten Tag Kofferpacken und die Unterkunft wechseln. Ein krankes Kind auf eine achtstündige Busfahrt zwingen, weil wir keine Zeit haben, es mal einen Tag im Bett liegen zu lassen. DAS bedeutet enormen Stress für Eltern und Kinder und das ist es nicht, was Langzeitreisen mit Kindern schön macht.
Daher mein Rat, sich beim Reisen Zeit zu lassen. Wer insgesamt wenig Zeit zur Verfügung hat, sollte vielleicht statt 8-10 nur 4-5 Länder bereisen. Damit ein Eintauchen in fremde Kulturen überhaupt möglich ist. Wer viel Zeit hat, vielleicht sogar ein ganzes Jahr, sollte aber ebenfalls nicht der Versuchung erliegen, in diesem Jahr all das bereisen zu wollen, was er/sie immer schon mal sehen wollte. Denn auch ein Jahr ist dafür nicht lang genug.
Meine Empfehlungen orientieren sich an meinen eigenen Reiseerfahrungen, aber auch denen aus vielen Jahren Beratung langzeitreisender Familien und deren Feedback. Je mehr Zeit ihr pro Stopps habt, desto besser. Generell empfehle ich, keinen Flugstopp unter 3 Tagen einzuplanen. Das lohnt den Aufwand mit Auschecken, Einreisen, zum Hotel fahren und das Ganze dann noch mal Retour + Jetlag und Zeitverschiebung einfach nicht.
Für Städteziele sind mindestens 5 Tage angemessen, um etwas zu sehen. Wenn ihr nicht nur die Stadt des Ankunftsflughafens sehen wollt, würde ich für Länder, die keine kleinen Inseln sind, mindestens 2 Wochen einplanen. Das ist das Minimum, um anzukommen und einen Eindruck zu erhalten. Besser sind 3-4 Wochen oder mehr. Inselziele in der Südsee z.B. können auch für eine Woche eingebaut werden, wenn man hauptsächlich am Strand liegen will. Damit es eine echte Pause vom Reisen ist, sind auch hier 2 Wochen entspannter. Wenn zwischen den einzelnen Reiseländern große Zeitverschiebungen oder starke Klimawechsel zu verkraften sind, denkt daran, dass Kinder hier länger brauchen um sich anzupassen. Diese Zeit sollte immer zusätzlich eingeplant werden.
Fazit: Entspannt Euch!
Das wird nicht eure letzte Reise gewesen sein. Vielleicht ist es sogar die erste große Reise, aber bestimmt werdet ihr mit euren Kindern noch viele tolle Reisen unternehmen und faszinierende Ort entdecken. Genießt das Gefühl, mal ohne engen Zeitplan unterwegs zu sein und euch treiben lassen zu können. Ihr werdet staunen, was das für ein Gefühl von Freiheit in euch und vor allem euch bei euren Kindern auslösen wird!